Gestaltansatz

Gestalttherapie - Lotte Hartmann Kottek

In einem ca. einstündigen Interview mit Werner Eberwein beschreibt Lotte Hartmann-Kottek Quellen, Prinzipien und Techniken der modernen Gestalttherapie


Gestalttherapie – Ein ganzheitliches, humanistisches Therapieverfahren

Die Gestalttherapie ist eine der grundlegenden Therapieformen der Humanistischen Psychologie. Als existentiell und hermeneutisch-phänomenologisch begründetes Verfahren wurde sie in den 1940er Jahren von dem deutschen Psychiater und Psychologen Fritz Perls gemeinsam mit seiner Frau, der Psychologin Lore Perls, entwickelt. In Zusammenarbeit mit dem amerikanischen Soziologen Paul Goodman wurde die Gestalttherapie 1951 als theoretisches Konzept formuliert. Sie entstand aus einer kritischen Auseinandersetzung mit und einer Abgrenzung zur Psychoanalyse.


Philosophische Wurzeln und theoretische Grundlagen

Die Gestalttherapie schöpft ihre philosophischen und theoretischen Grundlagen aus einer Vielzahl von Ansätzen:

  • Existentialismus
  • Phänomenologie
  • Gestaltpsychologie
  • Feldtheorie
  • Holismus
  • Dialogtheorie nach Martin Buber
  • Elemente des Taoismus und Zen-Buddhismus

Im Zentrum steht die Vorstellung, dass der Mensch immer in Beziehung zu seiner Umwelt und seinem sozialen Feld steht. Person und Umwelt werden als untrennbare Einheit betrachtet, wobei die individuellen Lebensbedingungen als Hintergrund der aktuellen Situation verstanden werden.


Wachstum und Gestaltbildung – Der lebenslange Entwicklungsprozess

Menschliche Entwicklung wird in der Gestalttherapie als ein dynamischer Prozess von Gestaltbildung (Wachsen) und Gestaltzerstörung (Vergehen) gesehen.

  • Psychische Störungen, psychosomatisches Leiden, Süchte und Psychosen werden als Blockierungen in diesem Wachstumsprozess verstanden.
  • Ziel der Gestalttherapie ist es, sogenannte offene Gestalten zu erkennen, Bewusstheit zu fördern und blockierte Prozesse mit spezifischen Methoden wieder in Bewegung zu bringen. Dadurch können offene Gestalten „vollendet“ und der natürliche Wachstumsprozess fortgesetzt werden.

Das Leben wird als auf Sinnfindung ausgerichteter Prozess betrachtet. Die Gestalttherapie hilft, durch Bewusstheit und erlebnisorientierte Methoden neue Perspektiven zu entwickeln und Blockaden zu lösen.


Anwendungsbereiche der Gestalttherapie

Die ganzheitliche, kreative und wachstumsorientierte Vorgehensweise der Gestalttherapie bietet zahlreiche Einsatzmöglichkeiten:

  • Persönlichkeitsentwicklung
  • Behandlung von psychischen und psychosomatischen Erkrankungen
  • Prävention zur Stärkung der Persönlichkeit
  • Unterstützung in persönlichen, gruppendynamischen und institutionellen Prozessen

Kreative Medien und nonverbale Techniken

Ein wesentliches Merkmal der Gestalttherapie ist der Einsatz von nonverbalen Methoden und kreativen Medien. Diese ermöglichen den Zugang zu Themen, die der Sprache oft nicht unmittelbar zugänglich sind.

  • Musik, Kunst, Bewegung und darstellende Methoden eröffnen neue Ausdrucksmöglichkeiten und fördern die Verarbeitung unbewusster Themen.
  • Kreative Ansätze unterstützen die Entwicklung neuer Perspektiven und helfen dabei, Ressourcen zu aktivieren und Selbsthilfepotenziale zu stärken.
  • Die Aufmerksamkeit richtet sich nicht nur auf problematische Erlebnisse, sondern auch auf vorhandene Potenziale und Stärken, um neue Lebensentwürfe zu entwickeln.

Gestalttherapie als dialogisches und erfahrungsorientiertes Verfahren

Die Gestalttherapie zeichnet sich durch eine phänomenologische, experimentell-kreative und prozessorientierte Vorgehensweise aus. Dabei steht der Mensch in seiner Ganzheit im Mittelpunkt:

  • Psychodynamische und konstitutionelle Entwicklung
  • Lebensgeschichtlicher Zusammenhang
  • Konkrete individuelle und familiäre Lebenssituation
  • Leibliche Kommunikation und Verhaltensweisen

Die dialogische Haltung fördert authentischen Kontakt und ermöglicht den Klient*innen, in einem geschützten Raum eigene Erfahrungen zu machen und neue Handlungsmöglichkeiten zu entwickeln.


Zusammenfassung

Die Gestalttherapie bietet eine tiefgreifende, ganzheitliche Methode zur Behandlung psychischer und psychosomatischer Störungen sowie zur Förderung der Persönlichkeitsentwicklung. Mit ihrem kreativen Ansatz und der Einbeziehung nonverbaler Techniken erschließt sie neue Wege zur Verarbeitung von Erlebnissen und zur Entwicklung persönlicher Ressourcen. Die Verbindung von Sinnfindung, Wachstum und Bewusstheit macht die Gestalttherapie zu einem einzigartigen und wirkungsvollen Therapieansatz.